Die Bahnstrecke durch das Frettertal wurde erst 1911 eröffnet und durch die Ereignisse der folgenden Jahre blieb das selbst hergestellte Knochenmehl noch lange konkurrenzfähig: durch die Rohstoffarmut in der Zeit des ersten Weltkrieges und die Devisenknappheit der Zeit danach, die Autarkiepolitik des „Dritten Reiches“, die Ereignisse des zweiten Weltkrieges und die zögernden Ereignisse danach. So blieb dieses kleine Gebäude mitsamt seiner Einrichtung noch bis nach dem zweiten Weltkrieg in Betrieb.
Technisch gesehen ist die Knochenmühle ein Stampfwerk, wie es seit dem Mittelalter für vielerlei Zwecke Anwendung gefunden hat, z.B. als Ölmühle oder als Erz- und Schlackepoche im Berg- und Hüttenwesen. Die Knochenmühle in Fretter ist eine von nur noch drei erhaltenen in Westfalen. Eine Besonderheit ist das gusseiserne Stampfwerk, die beiden anderen sind aus Holz. Für diesen Zweck ist das auch vollkommen ausreichend und zudem billiger. Umbauspuren am Stampfwerk der Ruhrmannsmühle bezeugen vorgenommene Veränderungen.
Eine eingehendere Betrachtung ergibt, dass es sich hier um einen von ehemals zwei nebeneinander liegenden Sätzen einer sogenannten „kalifornischen Poche“ in einer frühen Form aus der Zeit um 1860 handelt, wie sie auch in den Hüttenwerken dieser Gegend als Erz- oder Schlackepoche benutzt wurden. Das Vorhandensein des siebartigen Pochtroges belegt, dass das Gerät zum Nasspochen eingesetzt wurde. Das Pochgut konnte erst vom durchfließenden Wasser mitgenommen werden, wenn es ausreichend zerkleinert war und durch die Lochung des Pochtroges passte. In einem angeschlossenen Gerinne mit Absetzmulden trennte sich dann das schwerere Erz von dem leichteren tauben Gestein bzw. das sogenannte Wascheisen von der Schlacke. So ist das Stampfwerk in Fretter ein einmaliges Zeugnis der heimischen Montanindustrie in zweiter Verwendung. Möglicherweise stammt es aus der Neubrücker Hütte, die auf dem Gelände des Bahnhofes in Finnentrop von 1858 bis 1907 bestand.
Selbst das „Deutsche Museum“ in München besitzt nur eine wesentlich modernere Form einer solchen Poche aus dem Jahr 1902.
In der Knochenmühle in Fretter wurden im Winter, wenn die Arbeit auf den Feldern ruhte, 30 bis 40 Zentner Knochen, die zuvor ein bis zwei Jahre auf dem Dachboden getrocknet hatten, zu Mehl zerstampft. Das Knochenmehl diente vorwiegend der Felddüngung, etwas wurde auch dem Futter des Jungviehs und der Hühner beigefügt.
Bis ins 19. Jh. beherrschte die Dreifelderwirtschaft das Bild der Landwirtschaft unserer Region. Der Wechsel der Anbaufläche und die Brache sollten dem Boden zur Erhaltung der Fruchtbarkeit eine Ruhepause gönnen. Eine Düngung mit Mist oder Jauche fand nur im Gartenbau statt. So war die Landwirtschaft wenig ertragreich, aber sehr personalintensiv und ernährte nur wenig mehr Menschen als in ihr beschäftigt waren. Auch wer einen anderen Beruf ausübte, war meist gezwungen, daneben Landwirtschaft zu betreiben.
Der Fortschritt der Naturwissenschaften im 19. Jh. machte auch vor der Landwirtschaft nicht halt. Der Gießener Professor Justus Liebig fand heraus, dass bestimmte Mineralien für die Entwicklung von Pflanzen von besonderer Bedeutung sind: Phosphor und Kali. Seine Folgerung, dass man dem Boden die von den Pflanzen verbrauchten Mengen dieser Mineralien jährlich wieder zuführen muss, um dessen Fruchtbarkeit zu erhalten, kann man als Beginn der Kunstdüngung ansehen. Liebigs chemische Untersuchungen hatten ergeben, dass Knochen die wichtigsten Mineralien in für Pflanzen geeigneter Form enthalten, so lag es nahe, Knochenmehl herzustellen und das auf die Felder zu streuen. Ganz neu war die Erkenntnis allerdings nicht. Schon seit dem Ende des 18. Jahrhunderts wurde auf den Britischen Inseln, besonders in Schottland, Knochenmehl zur Düngung eingesetzt. In Deutschland entstanden die ersten Knochenmühlen zu diesem Zweck zu Anfang der 1830er Jahre in Sachsen und Schlesien. Knochen wurden nun zur begehrten Handelsware. Ein Lexikon aus der Mitte des 19. Jhs. beklagt, dass zu viel davon nach England exportiert werde, statt im eigenen Land verwendet zu werden.
Erst gegen Ende des 19. Jhs. bekam das Knochenmehl Konkurrenz durch die beim Thomasverfahren der Stahlherstellung anfallende „Thomasschlacke“, durch den mit neuen Massengutfrachtern aus Südamerika herantransportierten Guano und schließlich durch die von der chemischen Industrie gelieferten Kunstdünger.
Infos und Führungen: Dorf- und Heimatverein Fretter e.V., Stefan Vogel, Am Weingarten 3, FinnentropFretter, Tel.: 02724/2439066
Im Rahmen des Deutschen Mühlentages (jeden Pfingstmontag: http://www.muehlen-dgm-ev.de) ist die Knochenmühle immer eingebunden mit Vorführungen, Mahlbetrieb und Bewirtung
Schöndelter Straße 11
57413 Finnentrop
02724/8258
http://www.museumslandschaft-kreis-olpe.de/index.php/museen-sammlungen/15-die-qknochenmuehleq-in-finnentrop-fretter/14-die-qkn
Koordinaten um Knochenmühle in Fretter mit dem Navigationssystem zu erreichen.
Längengrad: 8.056772
Breitengrad: 51.194868
Teile diesen Standort mit deinen Freunden